TOPNEWS Mai 2016

Artikel: Dirk Arning, Drescher & Cie, für BCA Investment Research

Aus Krisen lernen

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Die erste Erfahrung mit einem regelrechten Aktien-Crash dürfte ein Teil der heute aktiven Anleger mit dem Kurseinbruch im Okto- ber 1987 gemacht haben. Die Stimmung war zunächst gar nicht schlecht im Börsenherbst 1987, aber auch nicht überzogen eu- phorisch. Seit dem Sommer 1984 befand sich die Wall Street in einem Aufwärtstrend. Aber das im August markierte Jahreshoch an den Aktienmärkten war Mitte Oktober rund 8 Prozent entfernt. Die ganz große Mehrheit der Marktteilnehmer rechnete damit, dass nach der mehrwöchigen Konsolidierung die Aktienkurse wei- ter steigen würden, denn auf Jahressicht stand nur ein kleines Plus zu Buche. Es kam bekanntlich anders. Die Gründe für den Crash im Oktober 1987 sind heute fast vergessen. Inflationssor- gen und ein hohes US-Handelsdefizit wurden genannt. Beides ha- be das Vertrauen in den Dollar schwinden lassen. Und so waren es wohl die Ängste vor Zinserhöhungen der amerikanischen No- tenbank, die den Crash auslösten. Allein an einem Tag wurden an der Wall Street mehr als 600 Millionen Aktien zum Verkauf ge- stellt. Am Endes des Tages hatte der Dow Jones 22,6 Prozent ver- loren und mit 508 Punkten den bislang schwersten Tagesverlust seiner Geschichte erlebt.

Krise folgt auf Krise. Wer auf eine Zeit ohne Krisen wartet, um sich an Aktieninvestments zu wagen, wird wohl noch lange warten müssen. Und dann zu teuer kaufen, denn in der Krise liegt die Chance zum günstigen Einstieg. Aber nicht alle einfachen Regeln funktionieren. Ein paar andere sollte man aber beachten.

Der Mensch ist ein Herdentier

In der Gemeinschaft fühlt man sich meist wohl, zumindest sicher. Wenn alle was machen, kann es wohl nicht falsch sein. Sich von der Herde zu trennen, ist dagegen mit Risiken verbunden. Doch an der Börse führt die vermeintliche „Schwarmintelligenz“ oft in die falsche Richtung. Die Börsengeschichte ist voller Beispiele für sprichwörtliche Lemminge, die sich kollektiv in finanzielle Abgründe gestürzt haben: von der Tulpenmanie 1637 bis zum Platzen der „New economy“-Blase nach der letzten Jahrhundertwende. Großen Erfolg können dagegen langfristig denkende Investoren vorweisen, die auf günstige Kaufgelegenheiten warten und dabei gegen die vorherrschende Meinung handeln. „Im Einkauf liegt der Gewinn“, lautet eine alte Redensart der Kaufleute. Doch antizyklisches Verhalten fällt dem Menschen schwer; es wider- spricht seiner Natur, sich gegen die vorherrschende Meinung und Stimmung zu stellen, das Gegenteil von dem zu tun, was die Mehrheit gerade tut. Doch dieses antizyklische Verhalten ist an der Börse auf lange Sicht sehr viel erfolgversprechender als prozyklisches „Mitlau- fen“. Glücklicherweise besitzt der Mensch, zumindest mancher, auch die Gabe, aus der Vergangenheit zu lernen, sich auf Basis von Erfah- rungen über seine Gefühle und den Herdentrieb hinwegzusetzen. „Kaufen, wenn die Kanonen donnern.“ Die Erkenntnis, dass Kri- sen gute Einstiegsgelegenheiten bieten, ist wahrlich nicht neu. Doch welche Krisen belasten die Börsen? Wie lange und wie weit fallen die Kurse? Grundsätzlich gilt: Ungewissheit belastet die Bör- se und Unerwartetes bewegt sie. Ob eine Krise die Kurse drückt, lässt sich letztendlich nur dort ablesen: an der Börse. Antizykli- sche Kaufgelegenheiten ergeben sich also erst nach einem Crash oder einer Baisse. Welche Lehren waren aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu ziehen? Der antizyklische Investor kann nicht warten, bis die Kurse wieder steigen. Schon wenn erste Anleger glauben, einen Silberstreif am Horizont ausmachen zu können, kann eine rasche Kurserholung einsetzen. Wer dann „aufspringt“, verfolgt eigentlich eine prozykli- sche Strategie. Antizyklische Strategien sind dadurch gekennzeich- net, dass der Kauf meist „zu früh“ erfolgt, also vor dem Tiefpunkt. Antizyklisches Kaufen

Abb.: Dow Jones – der Verlauf seit 1960

War damit die Zeit für antizyklische Käufe gekommen? Wer den Crash zum Einstieg nutzen wollte, konnte sich ein paar Wochen Zeit lassen. Bis zum 4. Dezember weitete sich der Kursrückgang bei US-Aktien auf 33,5 Prozent aus. Noch länger zu warten, ver- teuerte den Einstieg dann allerdings. Keine zwei Jahre später wa- ren die Verluste vollständig aufgeholt und die Aktienmärkte er- reichten neue Rekordhöhen. Auf der Suche nach einer einfachen antizyklischen Regel stellte man sich also die Frage: Wie stark muss ein Aktienmarkt fallen, um für antizyklische Käufe interessant zu sein? Für eine langfristi- ge Analyse der Bärenmärkte bieten sich der amerikanische und der japanische Aktienmarkt aufgrund ihrer langen Datenreihen an. Um die Überlegungen nicht allein auf den 1987er-Crash zu stützen, konnte man auch die vorausgegangenen Bärenmärkte an der US-amerikanischen und der japanischen Aktienbörse ana-

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