TOPNEWS Mai 2016

Artikel: Frank Breiting, Leiter des Bereichs Vertrieb Private Altersvorsorge der Deutschen AM und Vorstandsvorsitzender der DB Vita Die Altersvorsorge ist Wahlkampfthema – hurra!?

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darf dann auch noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) „in- tegriert“ werden, was angesichts der geringen Durchschnittsbeiträge weder das Renten- noch das BU-Problem des Kunden löst. Übertra- gen darf man das dann alles auch noch – über fünf Anbietergrup- pen hinweg, die bis dato nie gemeinsame Schnittstellen hatten. Und im Scheidungsfall wird über den Versorgungsausgleich dann auch noch alles schon säuberlich geteilt. Und lediglich am Rande zu erwähnen wären dann auch noch weitere Bürokratiemonster wie der bei allen Anbietern allseits beliebte Zungenbrecher „Beitrei- bungsrichtlinienumsetzungsgesetz“ … Nichts davon haben Versi- cherer, Banken oder Fondsanbieter gefordert, sich gewünscht oder gar in die Produkte einkalkuliert. Mittlerweile gibt es kein Produkt in der Altersvorsorge, das noch komplexer ist. Keines. Der Staat hat in puncto Komplexität damit in nicht einmal 15 Jahren geschafft, was selbst alteingesessene Anbieter in hundert Jahren nicht geschafft haben. Und nun beklagt die Politik die Mängel des eigenen Kon- strukts. Statt diese aber anzugehen und Lösungen zu schaffen, wirbt man für die „Abwicklung“ und hat sogar den Mut, gleichzeitig mir einer „Deutschlandrente“ ein neues staatliches Konstrukt auf der grünen Wiese zu errichten, weil der Staat sich gerade als guter Altersvorsorge-Entwickler bei Riester dafür qualifiziert hat. Stimmt. Aber was ist die Lösung? Etwa die Deutschlandrente? Seit Jahren erklären alle politischen Parteien, es könne ja wohl nicht angehen, dass die Riesterrente auf die Grundsicherung an- gerechnet werde und dass das einer der Haupthinderungsgründe dafür sei, Riester in dieser Bevölkerungsgruppe zu etablieren. Wo ist das Gesetz, das diesen offensichtlichen Webfehler beseitigt? Man kann doch nicht ernsthaft 16 Millionen Riestersparern erklä- ren, man lege das Thema nun ad acta und schaffe lieber etwas ganz Neues. Das spricht weder für politisches Verantwortungsbe- wusstsein noch für den Willen, auch für Sparer, die so vernünftig waren, etwas für das Alter zurückzulegen, das Richtige zu tun. Denn das bedeutet Detailarbeit und Kompromisse. Und damit werden die Texte und Erklärungen zu lang für Aufkleber, Luftbal- lons und Kugelschreiber am Wahlkampfstand. 3. Riester erreicht Geringverdiener nicht?

Der Wahlkampf hat anders als prognostiziert schon vor der Sommer- pause begonnen, und anders als erwartet wird die Altersvorsorge überraschenderweise ein prominentes Thema. Eigentlich müsste man sich darüber freuen, dass neben der Flüchtlingspolitik auch ein so komplexes und wichtiges Thema wie die Rentenpolitik das Berli- ner Tagesgeschäft erreicht hat. Allerdings ist die Wahlkampfzeit nicht zwingend ein Zeitpunkt, der sich dafür eignet, sich komplizierte Sachverhalte anzueignen, zu verstehen und in Ruhe zu diskutieren. Und noch viel weniger ist es ein Zeitpunkt, an dem es üblicherweise zu vernünftigen Kompromissen mit Augenmaß kommt. Viel eher ist es die Zeit, in der sich die Akteure unterschiedlicher Parteien mit markigen Sprüchen und oberflächlich sinnvoll erscheinenden Posi- tionen vom politischen Wettbewerber abzugrenzen versuchen. Da- bei werden munter Fakt und Fiktion gemixt und Lösungen für Proble- me aufgezeigt, die entweder keine Lösungen sind oder mit dem ur- sprünglichen Problem gar nichts zu tun haben. Dies treibt oft munter Blüten, wie ein kleiner Faktencheck zeigt:

1. Riester ist „gescheitert“?

Ein Produkt, das mittlerweile 16 Millionen Abnehmer gefunden hat, ist urplötzlich „gescheitert“. In dieser Pauschalität ist das Argument eine reine Nebelkerze, die aber auf Wahlkampfplakaten gut aussieht, da sie wenige Worte hat und sich kaum einer traut, zu widersprechen.

2. Riester ist zu teuer und gehört abgeschafft?

Sämtliche Produktangebote über einen Kamm zu scheren und von allen Produkten aus fünf Bereichen der Finanzdienstleistung zu be- haupten, sie seien zu teuer, mag populär sein und wird deswegen gerne wiederholt und mittlerweile – leider – unwidersprochen hinge- nommen. Allerdings ist das noch nicht einmal eine politische Forde- rung – es ist vielmehr vor allem eine politische Bankrotterklärung. Seit 2001 hätte die Politik bei Riesterprodukten Regeln einführen können, etwa welche Kosten akzeptabel sind, wenn man die staatli- che Förderung nutzen möchte. Geschehen ist das in gleich mehre- ren Legislaturperioden nicht. Stattdessen hat es jede Regierung ge- schafft, Riester mal um mal komplexer zu machen. Berufseinsteiger werden lediglich mit einer einmaligen Zulage gefördert, zur Ankurbe- lung des Wohnungsbaus kann man Gelder aus Riesterverträgen entnehmen, was Anbieter dazu zwingt, parallel zum eigentlichen Vertrag zusätzlich noch „Wohnförderkonten“ zu führen. Auch in der bAV ist riestern möglich, was aber so komplex ist, dass es kaum an- genommen wird. VL-Leistungen in Form von AVWL gehen über Riester ebenfalls, aber auch das nicht flächendeckend, sondern nur über bestimmte Tarifverträge. Für ein „Fitzelchen“ der Riesterbeiträge

4. Der Staatsfonds wird es richten?

Die neuen Ideen basieren unter anderem auf der Ansicht, Staaten seien gute Asset-Manager, die besser, effizienter und billiger arbei- ten als private Anbieter. Das sei mal dahingestellt. Aber es gibt ge- nug Beispiele aus anderen Branchen, die zeigen, wie gut der Staat wirklich managen kann. War der Telekommunikationssektor vor der

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